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"Der Herr ist mein Hirte, nichts fehlt mir" - Gedanken zu Psalm 23 (Pilgerlied)

Der Psalmtext:

„[Ein Psalm Davids.] Der Herr ist mein Hirte; / nichts wird mir fehlen. Er lässt mich lagern auf grünen Auen / und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen; / er leitet mich auf rechten Pfaden, treu seinem Namen. Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, / ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir, / dein Stock und dein Stab geben mir Zuversicht. Du deckst mir den Tisch / vor den Augen meiner Feinde; Du salbst mein Haupt mit Öl, / du füllst mir reichlich den Becher. Lauter Güte und Huld werden mir folgen mein Leben lang / und im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit.”

Der Wallfahrer bekennt nicht nur sein privates Glück, sich an der Gnadenstätte geborgen zu wissen, sondern will auch andere mit seiner Erfahrung vertraut machen.

Die Klarheit und emotionale Bewegung, die von diesem poetischen Psalm ausgeht, ist nicht nur auf das vertraute Bild des Hirten zurückzuführen. Da sind auch jene Bilder, die jedem Pilger von damals und dem Besucher von heute vor Augen stehen, wenn er die Landschaften des Heiligen Landes erlebt. Der Reiz von saftigen Weiden. Das schattige Tal oder auch die dunkle Schlucht. Der gedeckte Tisch beim freundlichen Gastgeber und der randvolle Becher. Der Ruheplatz am Wasser oder Brunnen einer Oase. Gott wird identifiziert als Hirte und Gastgeber. Von dieser Erfahrung gehen Trost und Vertrauen aus. Sicherheit und Schutz inmitten von Schwierigkeiten und Gefahren.

So findet sich bei dem berühmten Philosophen Henri Bergson (1895-1941) das Zeugnis: "Von den hunderten Büchern, die ich gelesen habe, hat mir keines soviel Licht und Trost gespendet wie diese wenigen Verse des Psalms 23."

Zwischen uns und dem Psalm 23 liegen ungefähr 3.000 Jahre. Dennoch sind die Worte nicht starr geworden und sie haben in der Zeit nichts von ihrer Faszination verloren, weil für Christen die Hirtenlandschaft und Gastfreundschaft Jahwes in Christus persönliche Gestalt annahm. Allerdings: Den Psalm 23 beten, setzt einen Akt vorbehaltlosen Vertrauens voraus in einen Mächtigen, der wirklich alles vermag. In einen Gott, der weiß, was wir brauchen. In einen Vater, der dafür sorgt, dass alles zu einem guten Ende kommt, wenn auch auf Umwegen. In einen Aufmerksamen, der ein Auge auf uns geworfen hat, weil er uns mit Namen kennt. Könne wir so beten?

Die Erfahrung zeigt, dass Menschen Wesen des Begehrens sind. Wir bringen große Opfer, um uns Wünsche zu erfüllen, die wir im Laufe eines langen Lebens haben. Wir arbeiten, um Träume zu realisieren. Wir haben die Wünsche nach Glück und Frieden. Den Wunsch zu lieben und geliebt zu werden, Ruhm und Ehre zu erlangen und Anerkennung zu finden. Bleibt dabei nicht die wahre Sehnsucht nach Glück auf der Strecke? Und dann beten "nichts fehlt mir"?

Der erste Beter des Psalmes bezeugt, dass Got sein Hirte ist und seine unendliche Sehnsucht bei ihm das lang Ersehnte gefunden hat. Er hat es auf dem Pilgerweg erlebt, denn er war nicht nur "dann mal weg". Jetzt kann er dem Herrn sein Leben und seinen Tod anheimstellen, weil er ihm vertraut. Neid, Missgunst oder Vergleiche mit anderen hören auf. Nur in diesem Sinn werden auch wir in rechter Weise die drei Worte verstehen "nicht fehlt mir".

Die heilige Teresa von Avila notierte diese Erfahrung auf einem Lesezeichen:

"Nichts verwirre dich,
nichts erschrecke dich:
Alles geht vorüber,
Gott ändert sich nicht.
Die Gedult erreicht alles.
Wer Gott hat,
dem fehlt nichts.
Gott allein genügt."

von Erich Läufer (Quelle: Deutscher Verein vom Heiligen Land, Das Heilige Land,
141. Jahrgang, Heft 2, September 2009, Seite 1-2)

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